Gibt es Regeln? Wenn ja, welche?
Zuschauer: Meine Frage als erlöste Progressivistin lautet also: Was ist der Schlüssel zur Befähigung von Männern im "Me Too"-Zeitalter bei gleichzeitiger Wahrung gesunder Grenzen und starker Verhaltenserwartungen?
Jordan Peterson: Wir haben seit 1960 eine relativ zuverlässige Geburtenkontrolle. Okay, das ist nicht sehr lange und wir unterschätzen den unglaublichen technologischen Fortschritt der Geburtenkontrolle. Es ist wie bei der Wasserstoffbombe. Es ist wie der Transistor, es ist eine gewaltige Veränderung in der menschlichen Interaktion. Frauen sind nun frei von unfreiwilliger Fortpflanzung. Das war in der gesamten Geschichte des Planeten noch nie der Fall.
Okay, wir wissen nicht genau, was wir damit umgehen sollen. Also die erste Überlegung in den 60er Jahren war: Verdammt, lasst uns Party machen! Und man weiß, man kann verstehen, warum die Regeln, keinen promiskuitiven Geschlechtsverkehr zu haben, scheinbar verschwunden sind.
Wir haben also ein paar Jahrzehnte lang experimentiert. Und wie ist das gelaufen? Ein bisschen hart für die Familie würde ich sagen. Das ist nicht so gut für Kinder. AIDS, das war kein Pluspunkt, hätte uns alle umbringen können. Und es ist vor allem mutiert, um promiskuitiven Sex auszunutzen, weil Viren sehr trickreich sind. Es stellt sich also heraus, dass Sex ein bisschen komplizierter ist, als wir dachten.
Nun, es hat sich herausgestellt, dass es viel komplizierter ist, als wir denken. Und jetzt ist es 50 bis 60 Jahre später und wir versuchen, das in Ordnung zu bringen. Es geht darum: Wann genau ist es in Ordnung, Sex zu haben, und wann ist es nicht in Ordnung, Sex zu haben, und was bedeutet es, dass es in Ordnung ist, und was bedeutet die Einwilligung?
Wo sind die allgemeingültige Regeln zu finden?
Und die Antwort darauf lautet: Nun, früher mussten wir diese Dinge nie durchdenken. Denn die Regel lautete: Keinen Sex haben, bevor man heiratet. Okay, also wie lautet die Regel? Nun, wir reden nicht über die Regel, wir warten, bis jemand etwas tut. Es sieht so aus, als ob es unpassend wäre, und dann mobben wir sie und versuchen, die Regel auf diese Weise herauszufinden. Und das ist keine sehr effektive Methode. Niemand führt dieses Gespräch. Es ist wie bei meiner Doktorarbeit über Alkohol: Fünfzig Prozent der Menschen, die ermordet werden, sind betrunken, und fünfzig Prozent der Menschen, die sie umbringen, sind betrunken. Nahezu alle Vergewaltigungsfälle sind Folgen von übermäßigem Rausch. Trotzdem gibt es auf dem Campus eine Partykultur und alles ist erlaubt.
Dann gibt es da noch diese seltsame Sache, vor allem in der radikalen Linken, die unglaublich paradox ist, wo absolut jede erdenkliche Form des sexuellen Ausdrucks hundertprozentig zulässig ist, weil Sex in Ordnung ist. Aber es ist so gefährlich, dass man, während man mit jemandem auf einer Party in Princeton tanzt, zwei oder drei Mal fragen muss, ob man weitermachen darf. Und das ist übrigens tatsächlich der Fall. Das habe ich mir nicht ausgedacht. Nun, beides kann jetzt nicht die Wahrheit sein, oder?
Langfristige Beziehungen als Voraussetzung?
Ich denke, was am einen Ende der Fahnenstange in der Me-Too- und der „Bestätigenden Zustimmung“-Bewegung passiert, ist, dass sich die alten sexuellen Tabus wieder durchsetzen. Die Vorstellung, dass wir Sex aus emotionaler Intimität und insbesondere aus emotionaler Intimität herausnehmen können.
Die Vorstellung, dass wir Sex aus der emotionalen Intimität und insbesondere aus der emotionalen Intimität, ich würde sagen, der psychologischen Intimität, vielleicht sogar aus einer langfristigen Beziehung, herausnehmen können, halte ich nicht für tragfähig. Ich glaube nicht, dass wir das tun können, und vieles von dem, was wir sehen, ist die Abwehrreaktion dagegen.
Das ist so wie „Ich fühle mich ausgenutzt“, denn eines der Dinge, die am wirklich radikalen Ende der Anti-Sexual-Missbrauchs-Bewegung passieren, ist die Vorstellung, dass, wenn man mit jemandem Geschlechtsverkehr hat und es dann am nächsten Tag bereut, das ein Beweis dafür ist, dass es nicht einvernehmlich war. Nun, es ist in dem Sinne ein Beweis dafür, dass es nicht einvernehmlich war, weil es ein Beweis dafür ist, dass man es verdammt noch mal nicht richtig durchdacht hat, oder? Es war gut für die letzte Nacht, aber es ist nicht gut für heute. Das ist nicht sehr klug. Die Frage lautet also: Was macht eine Zustimmung aus? Und wir müssen eine sehr ernsthafte Diskussion darüber führen, unter welchen Umständen es akzeptabel ist, eine Zustimmung zu geben.
Aber wir sind nicht reif genug, um dieses Gespräch zu führen. Wir wollen beides. Wir wollen in der Lage sein, zu tun, was auch immer wir wollen, mit was auch immer wir wollen, mit wem auch immer wir wollen, wann auch immer wir wollen, ohne Konsequenzen, und wir wollen, dass es nie Probleme mit der Zustimmung gibt.
Ist beides gleichzeitig möglich?
Ich denke, nein, das wird nicht passieren. Ich glaube nicht, dass Sex außerhalb von festen Beziehungen besonders gut funktioniert. Ich glaube nicht, dass es dafür Beweise gibt, das dies der Fall ist. Es gibt in allen Kulturen eine starke Neigung zur Durchsetzung, ja zur sozialen Durchsetzung von langfristiger Monogamie. Und dafür gibt es Gründe, und ich glaube, dass man davon auf eigene Gefahr abweicht.
Wenn man also davon abweichen will, dann gibt es dafür alle möglichen Gründe. Ich kann verstehen, warum die Leute an Abenteuern und all dem interessiert sind. Aber weißt du, auch als Kliniker habe ich das Gefühl, dass man nur etwa fünf Menschen in seinem Leben ausprobieren kann. Man muss sich sehrt schnell entscheiden. Zwischen 20 und 30 gibt es eine Menge Dinge in die richtige Bahn zu lenken. Und eine langfristige Partnerschaft ist normalerweise eines davon. In den meisten Fällen sollten die Menschen mit ihrem Sexualverhalten vorsichtiger sein, wenn sie jung sind.
Vor allem, wenn sie betrunken sind. Und ich denke, es ist so interessant, dass die ganze Tabu-Rekonstruktion von den radikalen Linken ausgeht, ist nicht das was man erwarten würde. Man würde denken, dass es die verdammten rechten Christen sind, die sich über sexuelle Unmoral beschweren. Aber nein, es sind die radikalen Linken, bei denen man eine unterschriebene Einverständniserklärung haben muss, bevor man eine körperliche Bewegung macht. Wer hat sich das ausgedacht? Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe! Kannst du dir vorstellen wie unangenehm das wäre?
Man sollte doch in der Lage sein, ein wenig nonverbal zu lesen, oder? Ich meine, das gehört zu einer Romanze dazu. Das gibt es nicht. Es gibt keinen Film, in dem zwei Menschen, die sich zu einem Date treffen, eine Einverständniserklärung austauschen. So etwas gibt es nicht. Es ist eine unrealistische Lösung. Aber ich denke, die wirkliche Lösung ist, dass wir trotz der Tatsache, dass wir eine zuverlässige Geburtenkontrolle haben, neu lernen müssen, was die akzeptablen Regeln des Anstands in Bezug auf sexuelle Beziehungen sind.
Eines der Dinge, die ich meinen jungen Klienten oft sage, ist: Macht nichts mit jemandem, worüber ihr nicht mit ihm reden würdet. Denn wenn es euch zu peinlich ist, darüber zu reden, dann ist es in der Beziehung vielleicht ein bisschen zu früh, um es tatsächlich zu tun. Und dann schadet es, weißt du. Es schadet emotional beiden Parteien. Es entwertet beide Parteien. Das ist so befremdend, dass man das nicht in den Griff bekommt. Aber hoffentlich können wir das auf eine seriöse Art und Weise tun, und es wird nicht nur darum gehen, diejenigen zu mobben, die anscheinend einen Fehler gemacht haben.
(Ein Transkript des folgenden Videos)