Religöse Werte im Wahlkampf
Die religiöse Überzeugung von Gegnern im Wahlkampf zu thematisieren, war bislang ein Tabu. Der Wahlwerbespot der SPD sorgt nun für Aufregung. Das Video zeigt die Gesichter mehrerer CDU-Politiker auf Matroschkapuppen. Nachdem zuerst Friedrich Merz erscheint und für eine Politik attackiert wird, die die Reichen immer reicher macht, und danach Hans-Georg Maaßen, der "die CDU an den rechten Rand rückt", ist als dritter Nathanael Liminski zu sehen. Er wird als "erzkatholischer Laschet-Vertrauter" bezeichnet, für den "Sex vor der Ehe" ein Tabu sei.
Liminski ist der Leiter der Staatskanzlei des Nordrhein-Westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet. Vor mehr als zehn Jahren legte der heute 35-jährige Liminski in Talkrunden seine religiös begründeten Einstellungen dar, unter anderem zum Thema "Sex vor der Ehe". Allerdings hat er sich seit mehreren Jahren nicht mehr öffentlich über seinen katholischen Glauben geäußert.
Bundestagsabgeordneter Günter Krings sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger: "Dass höchstpersönliche Themen und religiöse Überzeugungen zum Gegenstand politischer Angriffe gemacht werden, hat es in der Nachkriegszeit so noch nicht gegeben." Eine Verletzung des Konsens dieser Art habe er der SPD nicht zugetraut. "Das ist ein doppelter Tabubruch."
Der Parteienforscher Uwe Jun nannte das Video gegenüber dem Tagesspiegel als eine "ziemlich drastische Form des 'Negative Campaigning', die an amerikanische Vorbilder erinnert". Ihm seien aus der jüngeren Vergangenheit "keine solch angreifenden Statements mit Blick auf religiöse Inhalte durch die etablierten Parteien bekannt."
Wie das RedaktionsNetzwerk Deutschland berichtet, sagte der frühere religionspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen Volker Beck: "Liminski mag merkwürdige Positionen vertreten und Verbindungen haben. Dass er katholisch ist, spricht allerdings nicht gegen ihn und nicht gegen Armin Laschet."
Ohne weitere Argumente für oder gegen Liminskis religiöse Einstellungen anzuführen, scheint die SPD eine vorgefertigte Meinung zu diesem Thema zu haben und auch bei ihrer Zielgruppe vorrauszusetzen und damit Stimmen generieren zu wollen. Die CDU verfolgt vmtl. nicht das Ziel, diese Werte gesetzlich in ihrer nächsten Amtsperiode gesetzlich verpflichtend einzuführen. Auch hat sie vermutlich nicht vor, etwaige Verstöße zu maßregeln.
Eine derartige Einstellung, wie sie im Übrigen von vielen Weltreligionen wie im Islam oder Hinduismus vertreten wird, dürfte der Gesellschaft wohl kaum Schaden zufügen.
Wie sollte der Staat mit Angelegenheiten des Glaubens umgehen?
Am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert befanden sich die USA kurz vor der Beschließung eines Gesetzes (Blue Laws), welches das öffentliche Leben am Sonntag stark einschränken sollte, mit dem Ziel für diesen Tag besondere Bedinungen für die Erholung von der Arbeitswoche aber auch für die Anbetung von Vertretern des katholischen und evangelikalen Glaubens zu schaffen. So ist es bspw. in vielen Bundesstaaten der USA bis heute noch verboten, Alkohol, Lebensmittel oder Autos am Sonntag zu kaufen oder sportliche Veranstaltungen vor 13 Uhr durchzuführen. Die Missachtung dieser Gesetze sind mit entsprechenden Folgen verbunden.
Im Jahr 1796 wurde ein Vertrag mit Tripolis abgeschlossen, worin in Artikel II erklärt wurde, dass „die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika in keinem Sinne auf die christliche Religion gegründet sei.“ Dieser Vertrag war von einem ehemaligen Kongretionalistengeistlichen abgefasst und von Präsident Washigton unterzeichnet. Washington hierzu:
„Jeder, der sich als ein guter Bürger verhält, ist für seinen religiösen Glauben allein Gott gegenüber verantwortlich und sollte darin beschützt werden, Gott nach den Vorschriften seines eigenen Gewissens zu dienen.“1
Auch der Historiker und demokratische Politiker Georg Bankcroft zollt diesem Prinzip Tribut, wie es in den Worten Jesu und der amerikanischen Verfassung verkörpert ist:
„In den ältesten Völkern, von denen die Geschichte weiß, waren Regierung und Religion eins und unteilbar. Jeder Staat hatte seine besondere Gottheit, und oftmals mochten diese Beschützer, einer nach dem anderen über den Haufen geworfen werden, um nie wieder aufzustehen. Der peloponnesische Krieg entstand aus irgendeinem Wettstreit wegen eines Orakels. Rom, wie es bisweilen diejenigen, die es überwand, in seine bürgerliche Gemeinschaft aufnahm, führte in gleicher Weise und mit einer für jene Zeiten gesunden Logik die Verehrung ihrer Götter ein. Niemand dachte daran, die Religion dem Gewissen des einzelnen zu überlassen, bis eine Stimme in Judäa, für die größte Epoche im Leben der Menschen bahnbrechend, durch die Begründung einer rein geistlichen und universalen Religion für alle Menschenkinder, anbefahl, dem Kaiser nur zu geben, was des Kaisers ist.“
Dieses Prinzip wurde erstmalig in der amerikanischen Verfassung festgeschrieben, welche als Vorbild für viele weitere dienen sollte:
„Sie (amerikanische Nation) überließ die Verwaltung weltlicher Angelegenheiten der weltlichen Macht, aber die amerikanische Verfassung, in Übereinstimmung mit den Einwohnern der verschiedenen Staaten, verweigerte der Bundesregierung die Macht, in das Heim der Vernuft, in die Burg des Gewissens, in das Heiligtum der Seele einzudringen – und das nicht etwa aus Gleichgültigkeit, sondern vielmehr, damit der unendliche Geist der ewigen Wahrheit in seiner Freiheit, Reinheit und Macht sich entfalten könnte.“1
Liminskis Einstellung so verkehrt?
Auch wenn der Gewissensfreiheit des Einzelnen nicht angetastet werden sollte, stellt sich die Frage, ob der Verzicht auf vorehelicher Sex eine so schlechte Sache ist. Einige Statistiken:
- Die Psychologen Galena K. Rhoades und Scott M. Stanley fanden heraus, dass die Studienteilnehmer, die vor der Heirat Sex mit anderen Personen hatten, über eine geringere Qualität ihrer Ehen berichteten als Paare, die nur miteinander schliefen. Mehrere Sexualpartner vor der Ehe verringerten die Qualität der Ehe bei Frauen, aber nicht bei Männern.(1)
- In ähnlicher Weise zeigte der Soziologe Jay Teachman, dass vorehelicher Sex zwischen zukünftigen Ehepartnern die Wahrscheinlichkeit einer Scheidung nicht erhöht, Sex mit anderen Personen jedoch schon.(2)
- Gemäß Daten des Instituts für Familienstudien der USA besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Qualität der Ehe und häufigen vorehelichen Partnern.(3)
Auch wenn sich einige in ihrer Lebensqualität durch Liminskis Ansichten grundsätzlich eingeschränkt fühlen, dürften sie zumindest als nicht schädlich wenn nicht sogar förderlich für das gesellschaftliche Zusammenleben sein. Jeder kann bei der nächsten Bundestagswahl selbst entscheiden, ob er diese Werte politisch vertreten sehen möchte oder nicht.
Genauso sollte es jedem frei stehen, sein Leben gemäß seiner eigenen Vorstellungen einzurichten, solange er dabei niemanden in seiner Freiheit einschränkt oder verletzt. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass jede Aktion ihre Entsprechung in einer bestimmten Reaktion findet.
"Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn mit demselben Gericht, mit dem ihr richtet, werdet ihr wieder gerichtet werden, und mit demselben Maße, mit dem ihr messt, wird euch wieder gemessen werden." Matthäus 7:1-2